Klar ist: Im 17. Jahrhundert wurde gescherzt.
Spitzfindige Gedanken und Wortspiele gab es in der zeitgenössischen Literatur. In der bildenden Kunst tauchten Scherze in Form von amüsanten Bildern und Skulpturen auf.
Der scherzo entspringt jedoch ernsten Themen. Es geht um die großen Fragen des Lebens. Ohne ein bisschen Komik und Leichtigkeit ist das Leben mitunter schwer zu ertragen.
Diese grotesken Köpfe waren ursprünglich an Berninis privater Kutsche angebracht. Wollte der Künstler damit etwas Bestimmtes sagen? Sicher saß er augenzwinkernd in seinem Gefährt und freute sich über die überraschten Blicke.
Gian Lorenzo Bernini
(Neapel 1598–1680 Rom)
Vier groteske Männerköpfe
Rom, 1650–1655
Vergoldete Bronze, H. 15 cm; Sockel: bianco e nero antico
Rom, Privat Sammlung
Heftige Gefühlsregungen anderer Menschen zu beobachten und sich darüber lustig zu machen galt als Vergnügen. Aber statt starker Affekte war an den Höfen Europas Schönheit und soziale Harmonie angesagt. Disziplin statt Emotion lautete die Devise.
Das ist vielleicht einer der Gründe, weshalb der Junge in Bigots Gemälde über die heftige Reaktion seines Opfers schmunzelt, aber nicht laut loslacht.
Wir werden zu Komplizen und schmunzeln vielleicht ebenfalls im Stillen über das Opfer.
Um den Jungen im rechten oberen Eck zu erkennen, müssen wir genau hinsehen. Damit zieht Bigot uns näher in die Szene hinein. Wir werden zu Komplizen und schmunzeln vielleicht ebenfalls im Stillen über das seinen Streich.
Ein ausgehöhlter Kürbis hat den Mann in der Bildmitte überrascht und ihm einen Schrecken eingejagt.
Wir erkennen das an seinem weit aufgerissenen Mund, dem wahrscheinlich gerade ein Schrei entfährt. Das Wesen des Scherzes liegt auch im Überraschen.
Bigot war für seine von Caravaggio angeregten Nachtszenen bekannt. Aber er trug auch den Beinamen „Trufemondi“: einer, der Leute täuscht oder hinters Licht führt.
Trophîme Bigot
(Arles 1597–1650 Avignon)
Schreiender Mann
Um 1615/20
Leinwand, 79 × 100 cm
Wien, Kunsthistorisches Museum,
Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 6435
Viele Kunstwerke sind kritische Spiegelbilder der Gesellschaft.
Manche Künstler, beispielsweise Annibale Carracci, sahen bildliche Scherze als willkommenen Ausgleich zu den sonst so ernsten Themen in der Malerei. Die Scherze sind aber nicht oberflächlich, sondern geistreich und kritisch. Sie irritieren auch durch Kontraste. Unreife Kleinkinder schlüpfen in die Rolle von Erwachsenen. So werden Putti, kleine Knaben mit oder ohne Flügel, zu humorvollen Parodien der vielen Muskelmänner, die seit der Antike gegen wilde Tiere kämpfen.
Mühelos hat Berninis Putto seine übermenschlichen Kräfte eingesetzt: Er hat das Seeungeheuer niedergestreckt und ihm den Kiefer gebrochen. Dabei lächelt er auch noch schelmisch.
Pietro Bernini
(Sesto Fiorentino 1562–1629 Rom)
und Gian Lorenzo Bernini
(Neapel 1598–1680 Rom)
Knabe auf einem Drachen
Rom, um 1616/17
Marmor, H. 55,9 cm
Los Angeles, J. Paul Getty Museum,
Inv.-Nr. 87.SA.42
Es waren also nicht nur große, dramatische Gefühle, die Caravaggio, Bernini und deren NachfolgerInnen ins Bild setzten. Auch der Scherz hatte eine wichtige Rolle: Er ermöglichte es, sich selbst und die Welt mit Abstand zu betrachten und zu kommentieren. Auch die Karikatur entstand zu der Zeit. Mit Scharfsinn, Einfallsreichtum und ein wenig Gerissenheit fordern Caravaggio, Bernini und Co uns zur Reflexion auf. Viele Kunstwerke waren kritische Spiegelbilder der Gesellschaft.