Die Liebe bezwingt alles. Amor vincit omnia.

Was ist die richtige und wahre Liebe? Auch  damals war die Liebe ein Problem. Zwar waren sich alle einig: Liebe entflammt, wenn man Schönheit erblickt. Aber in der Gesellschaft ging es nicht so rein und keusch zu, wie die Kirche sich das wünschte. Daher entwickelten die Gelehrten bereits im 16. Jahrhundert eine neue Theorie: die der himmlischen und irdischen Liebe. Im Idealfall sollten diese beiden Formen der Liebe sich gegenseitig ablösen.

Eros, auch Amor genannt, steht für die erotische Liebe auf Erden.

Die beiden Formen der Liebe wurden unter anderem in Gestalt der Brüder Eros und Anteros dargestellt. Eros, auch Amor genannt, steht für die erotische Liebe auf Erden. Ihm begegnen wir in Annibale Carraccis Venus und Adonis. Er ist sichtlich amüsiert darüber, was eben passierte: Mit seinem Pfeil hat er seine Mutter, Venus, verletzt. Sofort verfiel sie der Liebe zu Adonis, der eben durchs Dickicht blickte. Auch Venus, selbst Göttin der Liebe, ist also nicht gefeit vor Eros‘ Spiel.

Anteros hingegen repräsentiert die tugendhafte Liebe zum »Wahren« und »Göttlichen«.

Allessandro Algardi schuf aus Stein eine Szene, die wir alle kennen: zwei raufende Brüder. Aber Algardi erzählt in diesem Moment viel mehr: Es sind die Brüder Eros und Anteros, die ihre Kräfte messen.

Der eine, Eros, ist gerade zu Boden gegangen und stützt sich mit seinem linken Arm auf den Köcher mit seinen Liebespfeilen, für die er so bekannt ist.

Sein Bruder, Anteros, hat ihm sogar die Augenbinde vom Kopf gezogen. Jetzt könnte auch Eros klar sehen, und seinen Blick auf die wahre himmlische Liebe richten, anstatt wie sonst „blind vor Liebe“ zu sein.

1

Alessandro Algardi
(Bologna 1598–1654 Rom)
Eros und Anteros
Rom, 1630
Carrara-Marmor, H. 82,5 cm
Vaduz – Wien, LIECHTENSTEIN.
Die fürstlichen Sammlungen, Inv.-Nr. SK1481

2

Annibale Carracci
(Bologna 1560–1609 Rom)
und Werkstatt
Venus und Adonis
17. Jahrhundert
Leinwand, 217 × 246 cm
Wien, Kunsthistorisches Museum,
Inv.-Nr. 234

Es gab Diskussionen über die Sittlichkeit von hetero- und homosexuellen Beziehungen.

Manche der Theoretiker im 16. Jahrhundert rieten jungen Männern, ihre sexuellen Leidenschaften vor der Ehe auszuleben. Den Preis dafür zahlten die Frauen. Denn die gute Keusche, die bis zur Ehe wartet, stand der bösen Schönen gegenüber. Damit diese Doppelmoral ausgelebt werden konnte, musste es Kurtisanen und Prostituierte geben. Sozial wurden sie natürlich geächtet.

Um 1600 erfreute sich der schöne Jünglingsakt besonderer Beliebtheit. Auffällig häufig sehen wir androgyne Männer, auch in Darstellungen von Heiligen. Und es gab Diskussionen über die Sittlichkeit von hetero- und homosexuellen Beziehungen.

3

Michelangelo Merisi da Caravaggio
(Mailand 1571–1610 Porto Ercole)
Johannes der Täufer
Um 1602
Leinwand, 129 × 95 cm
Rom, Musei Capitolini,
Pinacoteca Capitolina, Inv.-Nr. PC 239

Auch Caravaggio und seine NachfolgerInnen griffen diese Themen in ihren Kunstwerken auf. Die hitzigen Debatten von damals leben in ihren Bildern weiter. Wir begegnen Blicken, Körpern oder Gesichtern, die nicht eindeutig sind. Damit werden wir als BetrachterInnen direkt angesprochen. Wir sind aufgefordert, uns selbst Gedanken über die Liebe zu machen.